Ältere brauchen mehr Schutz vor Influenzafolgen
Influenza ist weiterhin eine relevante Ursache für Morbidität und Mortalität in Europa, vor allem bei älteren Menschen, die aufgrund von Komorbiditäten, Immunseneszenz und Inflammaging eine abgeschwächte Immunabwehr aufweisen. Die Impfung bleibt der wirksamste Weg, schweren Verläufen der Infektion vorzubeugen. Doch die Impfraten sind meist suboptimal und nicht überall in Europa werden die wirksamsten Impfstoffe empfohlen.
Eine multidisziplinäre Expertengruppe mit Erstautor Gaëtan Gavazzo von der geriatrischen Universitätsklinik La Tronche in Grenoble stellte rezente Daten zur Krankheitslast durch Influenza und die Impfraten in Europa zusammen. Dabei wurde auch der Einsatz der Impfstoffe mit verbesserter Wirksamkeit (adjuvantierte Impfstoffe und Hochdosisimpfstoffe) analysiert, um Empfehlungen für ihren Einsatz bei älteren Menschen zu begründen.
Daten seit der Influenzasaison 2022/2023 zeigen über ganz Europa hinweg, dass ältere Menschen etwa ein Drittel aller Hospitalisierungen, etwa 40% aller intensivmedizinischen Aufnahmen und 90% aller Todesfälle durch Influenza ausmachen. Die Influenzaimpfung reduziert das Risiko für einen schweren Verlauf und es wurden auch andere günstige Effekte, beispielsweise verringerte kardiovaskuläre Risiken nach der Impfung, belegt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO und das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) empfehlen die jährliche Influenzaimpfung ab einem Alter von 65 Jahren, einige Länder gehen mit ihren Empfehlungen darüber hinaus, so Deutschland (Impfempfehlung ab 60 Jahre) und Irland (Impfempfehlung ab 50 Jahre). Auch die Empfehlungen zur Art des Impfstoffs (adjuvantiert, Hochdosis- oder Standarddosis-Impfstoff) unterscheiden sich europaweit.
Die Influenza-Impfraten waren im Zuge der COVID-19-Pandemie angestiegen, sind seitdem aber auf frühere Raten oder sogar darunter zurückgegangen. Nach Angaben des ECDC übertraf nur Dänemark in der Influenzasaison 2023/2024 eine von der WHO geforderte Impfquote gegen die saisonale Influenza bei den über 65-Jährigen von 75%. Deutschland blieb mit seiner Impfquote bei Älteren im Bereich von 30-45% gemeinsam mit der Schweiz und Island hinter Schweden, Großbritannien, Spanien und Portugal (Impfquoten von 65–75%) sowie Frankreich, Italien und Norwegen (Impfquoten von 45–55%) zurück.
Barrieren überwinden
Ein größerer Schutz älterer Menschen vor schweren Verläufen einer Influenza hängt stark von der niederschwelligen Verfügbarkeit der Impfung und der Inanspruchnahme ab. In Bulgarien, Polen und Rumänien ist die Impfung für über 65-Jährige empfohlen, die Kosten werden aber nicht vom nationalen Gesundheitswesen übernommen. Aus Tschechien wird berichtet, dass mehr als die Hälfte der über 65-Jährigen Schwierigkeiten hat, die Information zur Impfung zu verstehen. Bislang nicht gegen Influenza Geimpfte sind schwierig zu erreichen. Sie sind häufiger als Geimpfte negativ gegenüber der Impfung eingestellt, vertrauen Gesundheitsbehörden nicht und gehen ungern zum Arzt/zur Ärztin. Zudem sehen sich ältere Menschen oft als relativ gesund an und fühlen sich nicht als Teil einer Risikogruppe, die geimpft werden sollte.
Um die Hürden für eine breitere Durchimpfung zu überwinden, braucht es europaweit betrachtet von staatlicher Seite die Garantie des Zugangs und eine klare Kommunikation zur Verfügbarkeit. Da es klare Evidenz dafür gibt, dass die Impfstoffe mit verbesserter Wirksamkeit effektiver gegen Hospitalisierungen und Komplikationen einer Influenza bei Älteren schützen als Standarddosis-Impfstoffe, sollten nationale Empfehlungen diese Impfstoffe vorrangig empfehlen. Die schwierigste Aufgabe ist, bei bisher nicht Geimpften Vertrauen aufzubauen, das Verständnis des Schutzes vor Atemwegserkrankung zu verbessern und der Desinformation entgegenzuwirken. Wichtige Faktoren können Kampagnen mit Menschen sein, denen Vertrauen geschenkt wird, sowie motivationelle Interviews und eine evidenzbasierte Kommunikation mit den potenziellen Impflingen.
Fazit:
Die teilweise zurückgehenden und insgesamt nicht optimalen Impfquoten bei über 65-Jährigen sind angesichts der Morbidität und Mortalität in dieser Altersgruppe alarmierend. Die Expert*innen gehen davon aus, dass die Krankheitslast durch Influenza eher unterschätzt wird. Sie regen an, die Impfung stärker als eine Maßnahme für ein gesundes Altern zu positionieren. Dazu wären umfangreichere Daten zu den Folgen der Influenza im Alter wichtig.
Quelle:
Gavazzi, G et al. Enhanced influenza vaccination for older adults in Europe: a review of the current situation and expert recommendations for the future. Expert Rev Vaccines 2025; 24: 350–364. doi: 10.1080/14760584.2025.2499728
Autorin Studienreferat: Friederike Klein, München